Interview mit Ralf-Charley Schultze, Präsident der UIRR, zur Kampagne CT4EU

Die UIRR hat gemeinsam mit ihren Partnern, die den Kombinierten Verkehr in den verschiedenen europäischen Ländern fördern, am 30. November 2021 auf dem Europäischen Intermodal-Gipfel die Kampagne „Kombinierter Verkehr für Europa“ (CT4EU) gestartet. Ziel ist es, Vorteile und Möglichkeiten des Kombinierten Verkehrs einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen, um:

  • den Güterverkehr effektiv zu dekarbonisieren,
  • die Abhängigkeit Europas von importierten fossilien Brennstoffen zu verringern und
  • dem Mangel an Lkw-Fahrern im Fernverkehr entgegenzuwirken.

Die UIRR koordiniert die CT4EU-Kampagne, die die Ausarbeitung einer Reihe von Legislativvorschlägen auf EU-Ebene im Verkehrsbereich begleiten wird, die das Potenzial haben, den Rechtsrahmen für den Güterverkehr im europäischen Binnenmarkt grundlegend zu reformieren. Von der Infrastruktur über die Digitalisierung und den betrieblichen Rahmen des Schienengüterverkehrs bis hin zu neuen Regeln für die Dekarbonisierung: Die Europäische Kommission wird Anfang 2023 eine ungewöhnlich hohe Zahl an substanziellen Vorschlägen vorlegen (Greening freight package).

Das Ziel der Europäischen Union, den Marktanteil des Schienengüterverkehrs bis 2050 zu verdoppeln, erfordert eine Verdreifachung des Volumens des kombinierten Verkehrs. Dies kann durch eine durchschnittliche jährliche KV-Wachstumsrate von 7-8 % erreicht werden. Ein verstärkter Rechtsrahmen und ein unterstützender politischer Ansatz sind für die Erreichung dieses Ziels unerlässlich.


Wir haben Ralf-Charley Schultze, Präsident der UIRR – INTERNATIONAL UNION FOR ROAD-RAIL COMBINED TRANSPORT, gefragt, was und wer hinter der Kampagne steckt, welche Ziele sich die Akteure vorgenommen haben und was wir zukünftig noch erwarten dürfen.

Ralf-Charley Schultze, President of the UIRR
Ralf-Charley Schultze, Präsident der UIRR

2021 hat UIRR die Kampagne CT4EU ins Leben gerufen, mit dem Ziel, den Kombinierten Verkehr in Europa zu fördern. Was haben Sie bisher erlebt, was konnten Sie bereits erreichen, was sind die weiteren Schritte?

Die UIRR startete die CT4EU-Kampagne im Dezember 2021 mit der Veröffentlichung einer Studie über die Energieeffizienz und den CO2-Fußabdruck des heutigen kombinierten Verkehrs. 

Mit einer Energieeffizienz von 40-70 % und einem um 60-90 % geringeren CO2-Fußabdruck ist der Kombinierte Verkehr ideal geeignet, um die im Rahmen des europäischen Green Deal angestrebten Treibhausgaseinsparungen von 55 % bis 2030 zu erreichen. Andererseits wird die Energieeffizienz des KV wesentlich dazu beitragen, die Abhängigkeit Europas von externen Energiequellen zu verringern. 

Die Ergebnisse der Studie haben das Interesse am intermodalen Transport auf europäischer politischer Ebene deutlich gesteigert. Und zwar nicht nur im Verkehrsbereich, sondern auch bei der Arbeit an energie- und sicherheitspolitischen Initiativen der EU. 

Die Kommunikationsmaßnahmen der CT4EU-Kampagne konzentrierten sich bisher auf die Ansprache von europäischen Entscheidungsträgern sowie auf die Nutzung der Sozialen Medien. Hier wurde schon sehr viel erreicht und die Kampagne konnte eine wachsende Zahl von Unterstützern aus dem intermodalen Sektor für sich gewinnen. 

Der dritte und vielleicht der herausforderndste Kommunikationsweg ist die Organisation von nationalen CT-Delegationen, die sich aus Branchen-Experten zusammensetzen und von nationalen CT4EU-Koordinatoren geleitet werden. Diese intermodalen Akteure werden die CT4EU-Ergebnisse an die nationalen politischen Entscheidungsträger in den Hauptstädten der verschiedenen Mitgliedstaaten übermitteln. Angepasst an die jeweiligen lokalen Besonderheiten und natürlich in der jeweiligen Amtssprache werden die CT4EU-Botschaften schriftlich, durch persönliche Treffen und schließlich durch Veranstaltungen, die in den nächsten 12-18 Monaten stattfinden werden, weitergegeben werden.

Sie sprechen davon, dass der Kombinierte Verkehr die Zukunft des Güterverkehrs in Europa ist. Warum ist das so und wie kann diese positive Entwicklung vorangetrieben werden?

Die zweite CT4EU-Studie und die dritte Studie, die anlässlich des European Intermodal Summit 2022 am 30. November veröffentlicht wurde, skizzieren die langfristige Vision des europäischen Binnengüterverkehrs. Der kohlenstofffreie kombinierte Tür-zu-Tür-Verkehr ist nicht nur die energieeffizienteste industrialisierte Form des Gütertransports über längere Strecken, sondern hängt auch am wenigsten von noch ausstehenden Durchbrüchen in Forschung und Entwicklung ab und erfordert unter den heute geförderten Alternativen die geringsten öffentlichen und privaten Investitionen. Der CO2-neutrale Kombinierte Verkehr ist in der Lage, lokal erzeugte erneuerbare Energie am effizientesten in Güterverkehrsleistung umzuwandeln.

Hinzu kommt: Die CT4EU-Vision für Europa sieht ein dichtes Netz intermodaler Terminals vor, die durch fahrplanmäßige intermodale Shuttlezüge mit hoher Frequenz verbunden sind. Dieses KV-Netz wird eine effiziente und zuverlässige Verbindung zwischen allen Häfen, Bevölkerungs- und Produktionszentren in Europa bieten. Batteriebetriebene Lastkraftwagen, die für den Kombinierten Verkehr auf der Straße eingesetzt werden, werden den Vor- und Nachlauf auf der Straße so geräuscharm und umweltfreundlich wie möglich bewältigen. Lkw werden nur in Ausnahmefällen, etwa bei plötzlichen Nachfragespitzen oder unter anderen besonderen Umständen, auf Strecken von mehr als 500 km eingesetzt.

Durch die Verlagerung des Gütertransports auf die Schiene wird ein ganz wichtiger Beitrag für den Umweltschutz geleistet. Wie geht Klimaschutz im intermodalen Transport und welche weiteren ökologischen und wirtschaftlichen Vorteile ergeben sich?

Hervorragende Energieeffizienz und eine geringe CO2-Bilanz sind die bekanntesten Umweltvorteile des elektrischen Schienengüterverkehrs, aber das sind bei weitem nicht die einzigen Vorteile des kohlenstofffreien kombinierten Tür-zu-Tür-Verkehrs.  Wenn der intermodale Verkehr zum Kernstück der Transportketten in ganz Europa wird, ist mit einer drastischen Verringerung der von Lastkraftwagen mit 11,5-Tonnen-Achsen zurückgelegten Fahrzeugkilometer zu rechnen, wodurch Straßenverschleiß, Straßenlärm, Verkehrsstaus und Verkehrsunfälle erheblich reduziert werden.  Auch die Emission von Feinstaubpartikeln wird sich drastisch verringern. Straßeninstandhaltungsarbeiten werden nicht mehr so häufig wie heute durchgeführt werden müssen.  Stattdessen wird das für 22,5-Tonnen-Achsen optimierte Eisenbahninfrastrukturnetz den schweren Güterverkehr ohne größere Probleme bewältigen.

Herr Schultze, wir danken für das Gespräch und die interessanten Einblicke.

Die Kommentare sind deaktiviert.